Wie verändert Corona das Kino? Klare Worte von Akademie-Präsident Ulrich Matthes
In ungewohnter Form fand gestern, am 15. November 2020, die erste Online-Mitgliederversammlung der Deutschen Filmakademie statt. Präsident Ulrich Matthes sprach live aus der Deutschen Kinemathek am Potsdamer Platz zu den Mitgliedern und fand klare Worte für die aktuelle Situation.
„Lasst uns kritisch gegenüber der Politik sein, sie aber nicht als Gegner betrachten“, so Matthes in seiner Eingangsrede. „Corona betrifft uns alle und es betrifft manche von uns existentiell – Individuen und die Institution, das Kino.“ Er betont, dass sowohl die elementar wichtigen Hilfsmaßnahmen für Einzelne, als auch der von den Kinoverbänden und -unternehmen gemeinsam mit ver.di geforderte „Rettungsschirm Kino“ zur längerfristigen Absicherung der Kinowirtschaft notwendig seien. „Ich unterstütze das mit all meiner Kraft, ich finde das absolut entscheidend. Das Kino, unsere gesamte Branche, ist wirklich bedroht.“
Er „glaube zutiefst an diesen sozialen Ort des Kinos“ und mache sich große Sorgen, „vor allem auch um die Kinos auf dem Land,“ so der Präsident der Deutschen Filmakademie. „Ich glaube auch“, sagt Matthes abschließend zum Stichwort Solidarität, „dass wir über den Tellerrand unserer Branche hinausgucken sollten. Wir müssen uns mit den anderen kulturellen Institutionen verbinden!“
Gemeinsam mit Ulrich Matthes waren der Vorstandsvorsitzende Benjamin Herrmann, die Geschäftsführerinnen Anne Leppin und Maria Köpf, die Vorstandsvertreter·innen Martin Hagemann (Produktion), Dennenesch Zoudé und Meret Becker (Schauspiel) live im Studio, ebenso Claudia Loewe (Deutsche Filmakademie Produktion) sowie Schatzmeister Detlev Buck und Wirtschaftsprüfer Julian Ehrhardt.
Benjamin Herrmann hat aus seiner Sicht als Verleiher und Produzent noch einmal betont, wie elementar die Planbarkeit für das Herausbringen der Kinofilme ist, da die Vermarktung viel Zeit und Vorlauf benötige. „Dieses Schleppen von Lockdown zu Lockdown“, so Benjamin Herrmann, „das ist die große Sorge die die Verleiher- und Kinobranche gerade umtreibt, denn das ist natürlich ruinös. Die Amerikaner werden ihre Filme in diesen Zeiten nicht starten und auch bei den deutschen Filmen sind Verschiebungen an der Tagesordnung.“
Mit knapp 50% der vergleichbaren Zuschauerzahlen aus den Vorjahren, und das ohne entsprechend große Blockbuster, sei das letzte Oktoberwochenende, so Herrmann, ein „vertrauenserweckendes Zeichen“ gewesen. „Das Kino wird nicht vergessen, das Kino ist weiterhin begehrt, die Zuschauer wollen und brauchen es, die Politik muss aber dafür sorgen, dass es bundesweite, klare Regeln gibt, unter welchen Auflagen Kinos öffnen dürfen.“
Martin Hagemann wagte zum Abschluss einen Blick über die aktuelle Situation in Deutschland hinaus. Die Entwicklungen, die bei den großen Studios in Amerika zu beobachten sind, seien wegweisend und die Frage, wie sich die Streamingdienste in das Geschäft der Kinoketten einmischen, sei für die Entwicklung des Ortes Kino, aber vor allem auch der Inhalte, entscheidend: „Das Kino der Zukunft stellt Fragen an die Kinofilme der Zukunft. Wie werden sich die Kinofilme von dem, was viele Mitglieder der Filmakademie jetzt schon für die Plattformen herstellen, unterscheiden? Dieser Frage müssen wir uns als Akademie stellen, so Hagemann, gemeinsam mit der Überlegung „wie sollte die Filmakademie mit der Diversität der Formen, der Narrative in Zukunft umgehen?“
Zusammenfassend halten die Geschäftsführerinnen Anne Leppin und Maria Köpf fest, dass diese notwendige Diskussion in der Akademie in der nächsten Zeit intensiv, und auch in unterschiedlichen Formaten, weitergeführt wird.