Die Deutsche Filmakademie trauert um Michael Gwisdek
Ein Nachruf von Alfred Holighaus
Michael Gwisdek soll tot sein. Wer das für einen seiner unberechenbaren Scherze hält, kennt deren Qualität nicht. Und wer behauptet, die Nachricht vom Tod eines fröhlichen Menschen, sei besonders traurig, muss nicht recht haben. Bei Michael Gwisdek fühlt es sich aber verdammt so an.
Wenn man denn glaubt, was man weder glauben kann noch glauben mag.
Es ist schon rein physikalisch nicht vorstellbar, dass ein solcher Geist aufgegeben werden kann. Wohin denn mit all der Energie?
Auf jeden Fall in unser aller Gedächtnis. In die Erinnerung an einen Menschen und Künstler, der sich weder durch falsche Bescheidenheit noch durch Narzissmus auszeichnete. An einen Menschen und Künstler, der Leben und Werk nicht trennen musste, um beides zu meistern. Einen Menschen und Künstler, dessen Lebenswerk in der öffentlichen Wahrnehmung auf der Volksbühne – dem Gewächshaus für künstlerische und intellektuelle Originalität – begann und vor zwei Jahren einen zwischenzeitlichen Höhepunkt erlebte, als Gwisdek sozusagen vor den Augen der Filmbranche Großvater wurde. Sein Sohn Robert war für die Darstellung des Stern-Reporters Michael Jürgs in Emily Atefs „3 Tage Quiberon“ für den Deutschen Filmpreis 2018 nominiert und saß vor dem Kreißsaal statt im Palais am Funkturm. Von dort rief Michael ihm zu: „Mach hinne. Wir machen das hier schon.“ Was er übrigens zuvor an gleicher Stelle bereits bewiesen hatte.
Erinnern wir uns also an DEFA-Filme wie das Boxer-Drama „Olle Henry“, in dem Gwisdek 1983 ebenso brillierte wie in Heiner Carows „Coming Out“ von 1988. In diesem Jahr drehte Gwisdek für die DEFA auch sein Regiedebüt, das politisch aufgeladene Beziehungsdrama „Treffen in Travers“ mit Herrmann Beyer, Uwe Kockisch und Corinna Harfouch. Denken wir an seine Arbeit mit dem Hamburger Regisseur Hark Bohm vor der Wende, an seine Filme mit Roland Gräf, Frank Beyer, Oskar Roehler und unzählig vielen anderen in den Jahren danach. Denken wir an seinen Berlinale-Triumph mit Andi Dresens „Nachtgestalten“, für den er den Silbernen Bären als Bester Darsteller bekam. Und an seine Dankesrede, als er beim Deutschen Filmpreis 2013 seinem direkt mit ihm konkurrierenden Sohn die Lola für die Beste männliche Nebenrolle abjagen musste.
Denken wir an seinen „Abschied von Agnes“ und irgendwie auch gerne an das „Mambospiel“, das ich persönlich in zwei Versionen kennen lernen durfte. Die erste Version hat Michael mir einmal komplett alleine vorgespielt. Wohin mit der Energie?
In die vielen weiteren Filme, in die Begegnungen, Telefonate, öffentlichen und privaten Auftritte, wieder in Filme, in Ab- und Zu- und Ansagen. Und wieder in Filme. Und gerne auch mal in die Filmakademie.
Michael Gwisdek hat alle Menschen, die er traf, vortrefflich unterhalten. Aber er war kein Entertainer. Er war ein Charakterdarsteller, weil er Charakter nicht nur darstellte, sondern besaß. Er konnte komisch sein, und er konnte das Publikum zu Tränen rühren. Denn er hatte das Komische so weit und vollständig durchdrungen, dass er das Tragische lässig mitzunehmen im Stande war.
Michael Gwisdek soll tot sein. Man muss es jetzt glauben. Auch aus Respekt und Liebe zu ihm. Und noch mehr aus Respekt und Zuneigung zu denen, von denen er sich am 22. September im Alter von 78 Jahren ganz persönlich verabschiedet hat.
Wir möchten uns bei Michael Gwisdek für zwei großartige Momente bedanken, die er dem Deutschen Filmpreis und seinen Gästen geschenkt hat.
Sie bleiben für uns unvergessen.
Anne Leppin und Maria Köpf
Michael Giwsdek · Deutscher Filmpreis 2013
Ein legendärer Moment beim Deutschen Filmpreis 2013, als Michael Gwisdek dem eigenen Sohn, Robert Gwisdek, die Lola in der Kategorie Beste Nebenrolle abjagte und für seine Darstellung des Friedrich im Film „Oh Boy“ ausgezeichnet wurde.
Michael Gwisdek · Deutscher Filmpreis 2015
Ebenso unvergessen bleibt die Laudatio von Michael Gwisdek beim Deutschen Filmpreis 2015 für die Kategorie Beste männliche Hauptrolle. Mit seinem unvergleichbaren Witz und Charme huldigt er den Nominierten Christian Friedel, Hanno Koffler und Frederick Lau.