© Florian Liedel

Die Deutsche Filmakademie trauert um Claus Boje

Der Produzent und Verleiher Claus Boje war Gründungsmitglied der Deutschen Filmakademie und uns von Beginn an sehr eng verbunden. Am Freitag ist er im Alter von 65 Jahren verstorben.

Zunächst als Kinobetreiber und Verleiher (Delphi Filmverleih) tätig, gründete er gemeinsam mit Detlev Buck die Boje/Buck Filmproduktion. Zu seinen größten Erfolgen gehören u.a.„Männerpension“, „Sonnenallee“ und „Herr Lehmann“. Claus Boje wurde mehrfach mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet

Seine Weggefährten Detlev Buck und Leander Haußmann nehmen hier mit persönlichen Worten Abschied.


Detlev Buck

Ein Nachruf auf Claus Boje? So wie es Dir als Kinomensch gefallen würde, soll etwas über Dich zu lesen sein. Dann also eher eine Vorankündigung:
Claus Boje gibt eine Party im Himmel!

Als wir 1991 die Boje/Buck Produktion gegründet haben und bei Verlesung der Gesellschaftsordnung der Paragraph 11 kam, im Falle des Todes, waren wir nicht vorbereitet, was genau in dem Absatz stehen soll – und nun etwas später, ist dieser Fall eingetreten. Und wieder ist keiner von uns vorbereitet. Wir haben aber auch kein Wort in den letzten Monaten über den Tod gesprochen. Du sprachst über drei neue schwarze „Freunde,“ die nicht mehr gehen, die nerven wahnsinnig aber sie gehen nicht, so sehr Du sie auch bittest. Du hättest sie gerne besiegt, wie der Hase, der die Schlange attackiert und fest im Griff hat. Ein Bild von Ernst Kahl, das wir als Firmenemblem bei unserem ersten gemeinsamen Film „Karniggels“ gewählt haben. Es steht für das Unmögliche, für das Unerwartete, die Überraschung. Das wollten wir mit den Filmen, die in der Boje/Buck Produktion entstehen, immer wieder versuchen.

Unsere erste Begegnung war bei den Hofer Filmtagen. Heinz Badewitz hat jahrelang Kurzfilme aus meiner dffb Studienzeit gezeigt. Du hast mich angesprochen, warum ich so unterschiedliche Kurzfilme mache. Du warst der Neugierige, hast vorgeschlagen, meinen Abschlussfilm ins Kino zu bringen, wolltest Verleiher werden. Als ich dann für „Karniggels“ keine Produktionsfirma hatte und ich meinte, lass uns das doch probieren, hast Du gezögert, wie Du wirklich oft gezögert hast. Du hast mich mit deinen großen braunen Augen prüfend angesehen, Du warst ja Psychologe … dann platzte es aus Dir heraus. Das war dein Ziel: Produzent sein. Und dann kam diese unendliche Begeisterung, die ich wirklich, wirklich vermisse.
Und durch diese tolle Energie kam der Erfolg.
Wir haben uns dann zusammen bei Herrn Arnulf jeder einen schwarzen Maßanzug schneidern lassen. Aber damit lange nicht genug.
Du hast den Erfolg nicht typisch deutsch versteckt, sondern ihn gefeiert, gezeigt, geteilt. In Cannes für Petra ein Porsche, eine Wohnung in L.A., in New York und in Rom war die Planung. Du hast diese liebenswürdige Übertriebenheit. Tessa und Kira, Deine beiden Töchter, haben Dich hier gehalten – dann aber waren eben 880 qm Büro am Kurfürstendamm, bestückt mit Kunst, Dein Hort. Über Geschmack lässt sich schwer streiten, aber Du hast etwas, was ich sehr vermisse und nicht viele Menschen haben, auch wenn sie es krampfhaft versuchen: Du hast Stil, nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich.

Als Walter Jonigkeit, der Gründer des Delphi Kinos, den Du sehr verehrt hast, 2009 mit 104 Jahren verstarb, begann es schwer zu werden.
Claus, es war auch keine unanstrengende Zeit mit uns. Und auch wenn hier nur etwas stehen soll, was Du über Dich lesen möchtest, so würdest Du auch das stehen lassen.
Bei der Lola Verleihung 2023 standest Du Da in dem mittlerweile 30 Jahren alten Maßanzug. Er schlackerte ein wenig. Aber Du standest da würdevoll.

In den letzten Gesprächen warst Du sehr stolz auf die Unabhängigkeit, die wir mit der kleinen Einheit von Produktion und Verleih hingelegt haben, das hat mich gefreut. Und gerade wegen der Diagnose, die Leber arbeitet nicht mehr, an der auch meine Mutter starb, wolltest Du wieder das Unmögliche, Unerwartete, die Überraschung und hast Dich auf eigenes Risiko aus dem Krankenhaus entlassen. Hast wieder frische Pläne gemacht. Wolltest wieder überraschen. Das hast Du auch geschafft, auch wenn nur kurz. Du wolltest selbstbestimmt bis zum Schluss bleiben. Das hast Du geschafft.
Ohne Dich wird nun das Unmögliche noch weniger möglich: Leander und ich wollten Dir noch eine kleine Geschichte erzählen. Es soll eine Boje/Buck Produktion werden. Du bist dabei.

 

Leander Haußmann

Wir saßen bei einem Italiener um die Ecke. Claus Boje, Detlev Buck und ich, das war so um 1997 herum. Wir suchten jemanden für die Produktionsleitung von „Sonnenallee“, meinem ersten Film. Jetzt mal davon abgesehen, dass ich keine Ahnung hatte von den Berufen im Filmbusiness, war ich auch wie immer überfordert von derartigen Gesprächen. Übriggeblieben von allen Bewerbern waren ein Mann in den Vierzigern und eine Frau in den Zwanzigern. Der Mann hatte viel Erfahrung und schon zahlreiche Filme gemacht, die Frau hatte, glaube ich, einen Film gemacht und soviel ich noch weiß keinen als Produktionsleiterin. Am Ende diskutierten wir, wer passend für uns sein könnte. Ich, in meiner blöden Unerfahrenheit, sagte natürlich: der Mann.
Claus schaute mich mit diesen großen Augen an:„ Hast du es nicht gemerkt?“, „Was denn?“„Der Typ hat an Dir vorbei ausschließlich nur mit mir gesprochen. Die Frau hat mit uns gesprochen. Wir brauchen doch keine Produktionsleitung, die den Produzenten in den Arsch kriecht, wir brauchen jemanden, der mit dem Regisseur spricht und auf seiner Seite, mit ihm und dadurch auch für das Projekt alles gibt. Ich kann niemanden gebrauchen, der gegen den Regisseur arbeitet. Nimm Anne Leppin.“

Claus war der tiefen Überzeugung, dass Künstler:innen Filme machen und dass diese besonderen Menschen zu fördern sind. Dass Filme Handschriften tragen müssen, dass sie auch gebadet sind in Blut, Schweiß und Tränen ihrer Macher. Erfolgreiche Filme müssen nicht zwangsläufig doof sein, Intelligenz und Kasse müssen sich nicht ausschließen. Er war extrem davon begeistert, originäre Filme zu schaffen und keine Repliken von bereits gehabten Erfolgen, sondern eigene dem Künstler zuzuschreibende Produkte. Er hielt den Zuschauer für klug. Seine Haltung dazu war von grandioser Begeisterung. Unvergessen der Moment, als er einschlief, während Thomas Brussig und ich ihm aus den ersten Versuchen eines Drehbuchs vorlasen. Irgendwann schlief er nicht mehr ein, dafür wurden seine Augen immer größer, wie Scheinwerfer. Dann wussten wir, es geht voran. Mutiges, originelles Filmemachen, immer auf der Kante, volles Risiko. Wenn es erfolgreich war, dann Austern und Champagner in Monaco! Aufgeben war keine Option. Er hatte noch Großes vor. Kurzfilme produzieren, seinen Dokumentarfilm umschneiden, nach Japan fliegen.

Detlev und ich wollten ihm noch einen Film pitchen, vielleicht dadurch ihn retten, wer weiß? Nun ist er vor dem Pitch eingeschlafen – für immer.

Claus Bojes Tod geht über das rein private Trauern, über den persönlichen Verlust hinaus. Claus Boje war ein Verleiher durch und durch und mit meinem Freund Detlev Buck zusammen Boje/Buck.
Boje/Buck war für eine ziemlich lange Zeit einer der leuchtenden Sterne am deutschen Filmhimmel. Sehr viele verdanken ihm ihre Filmkarriere. Unter anderem ich. Danke Claus.