Nachruf für Artur Brauner
Artur Brauner ist tot. Kurz vor seinem 101. Geburtstag hat der aktivste und bekannteste Produzent des deutschen Kinos nach dem Zweiten Weltkrieg die Welt verlassen, die er nie so belassen wollte, wie sie war.
Der deutsche Film verdankt ihm viel. Bereits der allererste Film, der nach dem Krieg in westdeutscher Produktion entstanden ist, wurde möglich durch seine Beteiligung als damals 28-jähriger Koproduzent: „Sag die Wahrheit“, Regie: Helmut Weiss, Darsteller Gustav Fröhlich, Mady Rahl, Sonja Ziemann und Georg Thomalla. Und mit der im selben Jahr gegründeten Central Cinema Company hat er seitdem das deutsche Kino mit ebenso viel Lust wie Ernsthaftigkeit um Filme bereichert, die die Herzen des Publikums höher und schneller haben schlagen lassen. Filme, in denen gelacht und sicher auch Filme, die belächelt wurden. Filme, die aufgewühlt, aufgeregt, aufgeheitert und auch aufgeklärt haben.
Über 250 waren das. Ein Schnitt von mehr als drei pro Jahr. Aber man muss wissen, dass es zwischen 1957 und 1968 eigentlich nur Jahre mit zweistelligem Output gab. 15, 16, 17, 18 Produktionen – von der leichten Muse mit Catarina Valente bis zum schweren Gewicht von Orson Welles. Die Besucherzahlen kann man nur schätzen. Und die Schätzung beginnt bei einem Minimum (sic!) von 50 Millionen! „Ich habe ein Gespür für den Geschmack des Publikums“ ist ein Satz von Artur, genannt Atze, Brauner, der leicht gesagt war. Ein Motto, ein Programm, eine Anmaßung. Vor allem aber: Ein wahres Wort.
Der Mann aus Lodz, der Verwandte und Freunde in den Konzentrationslagern der Nazis verloren hatte, machte im Land der Täter Filme sowohl gegen das Vergessen als auch für das reine Vergnügen. 1948 entstand „Morituri“, das Drama über eine Gruppe von flüchtigen KZ-Häftlingen, 2006 „Der letzte Zug“ über den Terror der Deportation von jüdischen Gefangenen von Berlin nach Auschwitz. Dazwischen lagen „Der 20. Juli“ und Gerhart Hauptmanns „Die Ratten“ (beide 1955) oder „Bittere Ernte“ (1984) und „Hitlerjunge Salomon“ (1990), das Herzensprojekt, das nicht die Chance auf den erhofften Oscar bekam.
Dazwischen lagen aber auch die vielen Filme entlang seines oben genannten Gespürs – vom „Roman eines Frauenarztes“ (1954) über die neuen Versionen der Mabuse-, Indien- und Nibelungen-Filme, sowie „Lange Beine – Lange Finger“ (1966), „Erotik auf der Schulbank“ (1968), „Winnetou und Old Shatterhand im Tal der Toten“ (1968), „Hanussen“ (1988) und sehr viele mehr.
Artur Brauner war verrückt nach Kino und dessen Publikum. Er hat noch im hohen Alter seine Anmerkungen zu den Drehbüchern per Fax aus seiner Küche versendet und bis vor einigen Monaten selten Premieren und deren Feiern verpasst. Seinen hundertsten Geburtstag beging er standesgemäß mit Branche und Politik im Zoo Palast.
Brauner war Gründungsmitglied der Deutschen Filmakademie und hatte 1990 das Filmband in Gold für langjähriges und hervorragendes Wirken im deutschen Film erhalten.
Die Zivilgesellschaft dankt ihm für langjähriges und hervorragendes Wirken für Toleranz, gegen Menschenverachtung und Rassismus.
Alles Gute, lieber Artur Brauner!
—AH