Trauer um Helga Reidemeister – Ein Nachruf von Lars Barthel

Helga und mich verbindet eine enge Freundschaft und eine Reihe gemeinsamer Filme.

Wir trafen uns 1982 in Indien. Mit einem Paket Filme war sie ins Goethe-Institut nach Delhi gekommen. Darunter „Mit starrem Blick aufs Geld“, der Film über ihre Schwester, die sich als Model durchschlug. Meine erste Begegnung mit einer Westberliner Filmemacherin. Helga war Anfang Vierzig, hatte schwarze, glänzende Haare und eine warme Ausstrahlung. Was für eine symphatische Frau aus dem Westen, dachte ich. Ich kam aus Ostberlin.

Helga zeigte „Von wegen Schicksal“. Ihr roter, seidener Schal leuchtete in der indischen Kinonacht. In ihrem Film wurde viel geschimpft und geschrien. Ich war bestürzt über die Rauheit einer Westberliner Familie. In Indien schliefen manche Familien auf der Strasse.
Spät Abends zog uns ein Rikschapuller durch das Gedränge des Chandni Chowk. Der alte Silbermarkt war berstend voll. Überall zischten grelle Gaslampen. Eng saßen wir nebeneinander. Helga sah nur den krummen, schwitzenden Rücken des Rikschapullers, seine dünnen Beine. Sie rannten und rannten auf nackten Sohlen. Madame, sagte der Mann lächelnd, als er seine Rikscha stoppte und Helga ausstieg. Da erst bemerkte ich. Helga war empört und verzweifelt. Sie holte einen 20 Dollar Schein hervor. Du verdirbst die Preise, sagte ich. Fünfzehn Rupien ist die Fahrt wert. Ich kann es ihm aber geben, sagte sie. Der Rikschapuller war gerührt und erfreut. Er hatte sich in Madame nicht geirrt. So war sie.

Als wir in Afghanistan drehten, kamen wir nie ohne pralle Beutel mit Apfelsinen zum drehen. Die Kinder waren glücklich. Die Apfelsinen habe ich aus dem Bild geräumt.
Die warmen Felljacken der Kinder auf dem Foto neben Helga, sie hat sie ihnen geschenkt, inmitten der Trümmer von Kabul.
Frierende Kinder im Krieg, Egoismus und Eigennutz – sie war völlig kompromisslos dagegen und kämpfte tatsächlich für eine bessere Welt.

Bis zu ihrem Tod strahlte Helga in warmen, leuchtend roten Farben.
Sie schaute von Innen, mit ihrem Herzen auf die Menschen.
Ihre Filmfamilie nannte sie, ihre „Mitarbeiter“ und ihre so früh verstorbene Tochter hieß Rosa. Neben Rosa wird sie nun liegen.

Für mich und viele andere ist Helga eine Unverzichtbare.